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‘Anu Pennanen’ Eva May für Pensée Sauvage – Von Freiheit
Die sprachlichen und formalen Obereinkunfte sowie ihre materielle Manifestierung, die das soziale Leben der modernen Welt organisieren und strukturieren, beruhen auf Vereinfachung und Verallgemeinerung. Die Untersuchung dieser sozialen Komplexitatsreduktion spielt eine zentrale Rolle in den Werken der finnischen Kunstlerin Anu Pennanen, die vorwiegend mit dem Medium Video arbeitet.
Ein Burohaus ist ein Burohaus. Zunachst einmal. Es ist offensichtlich, dass sich bei naherer Betrachtung ein anderes Bild zeigen wird: Denn die Struktur des Ganzen ergibt sich aus der Zusammenfassung und Reduzierung von Einzelschicksalen. Werden die . Schicksale im Einzelnen beleuchtet, ergibt sich ein viel komplexeres Bild des Ganzen, dessen funktionale Oberflache in “Hochauflosung” betrachtet Ungereimtheiten und Risse zeigt.
In der für die Liverpool Biennale entstandenen Videoinstallation A Day in the Office (2006) behandelt Pennanen diesen Zwiespalt. Auf der einen Seite beschreibt sie darin den ehemals heruntergekommenen Innenstadtbereich Liverpools, der sich in den letzten Jahren zu einem prosperierenden Wirtschaftszentrum entwickelt hat und nun durch eine reprasentative Architektur aus Stahl und Glas gekennzeichnet ist. Zum anderen wird der reprasentative Anspruch dieses architektonischen Gelandes durch die Schilderung des Alltags der Buroangestellten, die in den neu entstandenen Burohausern arbeiten, gebrochen. Die taglichen Rituale, Tagtraume und Lebenskonzepte der Reinigungskrafte, denen Pennanen in ihrer Arbeit Aufmerksamkeit schenkt, kontrastieren mit der baulichen Manifestierung der Masterplanen einer New Economy, die sich auf dem neu erschlossenen Wirtschaftsstandort Liverpools ausgebreitet hat. In Videos wie Friendship (2004-06) und A Monument for the Invisible (2003) beschreibt Pennanen daruber hinaus, wie offentliche Organisationsstrukturen – die an sich der Konditionierung, Regulierung und Reglementierung dienen sollten – durch subversives oder nicht der Norm entsprechendes Verhalten zweckent fremdet und umfunktioniert werden. Seien es die herumlungernden Gruppen russischer und estnischer Teenager in einer Einkaufspassage in der Innenstadt Tallinns, die sich den autoritaren auf Kommerz ausgerichteten Reglements und Strukturen spielerisch widersetzen und mit ihrer Cliquenbildung sogar historische und kulturelle Gegensatze uberwinden, oder sei es die blinde Johanna die Protagonistin aus A Monument for the Invisible -, die aufgrund ihrer besonderen Situation ein alternatives Ordnungssystem ihrer Stadt entwickelt: immer geht es um den Kontrast zwischen der Konditionierung eines Subjekts und dessen Abweichung davon. Dieses Interesse ubertragt Pennanen auch auf ihre eigene kunstlerische Praxis. So wie die Rolle der Protagonisten immer zwischen realer Person und Schauspieler wechselt oder hin und her driftet, ergibt sich eine ahnliche Dialektik zwischen Fiktion und Dokumentation fUr die Rolle der Kunstlerin: durch die Vermischung verschiedener Genres widersetzt sie sich den ihnen eingeschriebenen GesetzmaBigkeiten und reflektiert gleichzeitig ihr eigenes Verhaltnis zu Technik und Tradition des Films.
Eva May für Ausstellungskatalog Pensée Sauvage – Von Freiheit. Ursula Blickle Stiftung & Frankfurter Kunstverein. Revolver -Achiv für Aktuelle Künst, 2007.